Sgt. Pepper. 100 Seiten: Reclam 100 Seiten by Peter Kemper

Autor:Peter Kemper [Kemper, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783159612201
Herausgeber: Reclam Verlag
veröffentlicht: 2017-02-23T23:00:00+00:00

Within You Without You Seitdem er 1965 erstmals eine Sitar in die Hand nahm, interessierte sich George Harrison für fernöstliche Philosophie, insbesondere für den Zusammenhang von LSD-induziertem Ich-Verlust und dem Ich-Verzicht, wie er von Hindu-Sekten proklamiert wurde. Dementsprechend war er überzeugt, dass die Menschen sich nur näherkommen und den Abstand untereinander verringern könnten, wenn sie die Illusion des Egos überwinden. Man müsse zunächst erkennen, das alles eins ist und auch wir deshalb alle eins sind. Unser Ziel müsse ein »kosmisches Bewusstsein« sein.

Mit seinen rigiden philosophischen Überzeugungen hatte Harrison es im Beatles-Zirkel nicht leicht. Die knisternde Elektrizität, die zwischen John und Paul die musikalischen Funken nur so sprühen ließ, schloss George auch bei der Sgt. Pepper-Produktion weitgehend aus: Sein erster Song-Vorschlag »Only A Northern Song« – später erschien er mit anderer Resteverwertung auf dem Soundtrack von Yellow Submarine – war ja bei den Bandkollegen durchgefallen. Und so kehrte George am 15. März 1967 mit einer Komposition in die Abbey-Road-Studios zurück, die beinahe vollständig durch seine jüngsten Studien des Hinduismus und der indischen Musik geprägt war. John sollte sie später gnädig als »einen der besten Harrison-Songs überhaupt« bezeichnen.

»Within You Without You« war die Meditation über den tieferen Sinn des Lebens betitelt: Das Selbst wirkt demnach in allen Dingen, ebenso wie alle Dinge im Selbst am Werk sind. Komponiert hatte George den Song auf dem seufzenden Harmonium seines Freundes Klaus Voormann, des Bassisten und Illustrators des Revolver-Covers. Nach einem Abendessen in Voormanns Haus in Hampstead und langen Gesprächen über die spirituellen Defizite der Moderne schrieb Harrison den Song, indem er auf Phrasen und Sätze zurückgriff, die während der Diskussion an jenem Abend gefallen waren (»We were talking …«). Es muss eine für die Sechziger typische ausgeflippte Unterhaltung gewesen sein – die Joints kreisten, und man hatte schnell den Weltgeist im Würgegriff.

Für die Produktion in der Abbey Road lud Harrison eine Gruppe indischer Musiker aus der Londoner Szene ein, die neben Tablas, Tambura, Swarmandal auch eine Art viersaitige Geige namens Dilruba mit einer Fülle zusätzlicher Resonanzsaiten ins Spiel brachten. Mit einem Bogen gestrichen, produzierte sie schleifende, jaulende Klänge und verlieh dem Lied seine schwankende Bewegung. Dazu kamen Harrisons Sitar und ein von George Martin organisiertes Streicher-Arrangement für acht Geiger und drei Cellisten. Keiner der anderen Beatles war übrigens an der Aufnahme beteiligt.

»›Within You Without You‹ ist natürlich Welten vom normalen europäischen Popsong entfernt. Es hat keinerlei harmonische Struktur, keine Akkorde und keine Tonartwechsel, wie sie in westlichen Liedern im Allgemeinen vorkommen«, erklärte Martin. Stattdessen baut der Song auf einer indischen Tonskala auf und changiert träge zwischen einem 3⁄4-, 4⁄4- und 5⁄4-Takt.

Viele Kritiker haben dem Lied später seinen schulmeisterlichen Ton vorgeworfen (»Try to realise it’s all within yourself …«) und Harrison ein Welterrettungs-Syndrom unterstellt – dabei repräsentierte der Song mit seinem Plädoyer für eine »inner revolution« exakt jene Weltanschauung, der das Sgt. Pepper-Projekt insgesamt huldigt. George war sich sicher: »Im vedischen System geht es im Grunde um Erleuchtung. Und Musik ist eines der Mittel, mit denen man zur Erleuchtung gelangen kann.« Stilistisch bleibt das Lied ein markanter Ausrutscher in der Sound-Palette des Beatles-Katalogs.

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